Vertrauensanker sichern Unternehmen und Gesellschaften gegen Desinformation

Für Fakten gibt es keine Alternative

So genannte soziale, weil für jedermann zugängliche Medien bieten nicht nur Spielwiesen für Selbstdarstellung, sondern auch Umfelder für politische Manipulation. Brexit und Trump sind hierfür beredte Beispiele. Spätestens seit Kellyanne Conway als Trumps Beraterin Lügen als „alternative Fakten“ hoffähig machen wollte, war die Spielwiese zur Problemzone geworden. Plötzlich fanden sich Demokratien in einer Öffentlichkeit wieder, die von Autokratie und Verführung gesteuert werden konnte. Etablierte und konsensbasierte Verfahren für funktionsfähige Gemeinwesen wie unabhängige Gesetzgebung, Justiz, Exekutive und Presse schienen außer Kraft gesetzt. In der neuen Folge seiner Ressourcen führt Rob van Kranenburg* diese Verwerfungen auf den Verlust so genannter Vertrauensanker zurück.

Auf einer kürzlich von der niederländischen Polizei organisierten Konferenz über KI wurde gesagt, dass bereits in fünf Jahren, also 2028, neunzig Prozent aller digitalen Daten aus synthetischen Datenquellen stammen werden. Um es direkt vorweg zu nehmen: „Synthetisch“ bedeutet nicht, dass diese Daten damit falsch oder gefälscht sein werden. Desinformation ist so alt wie die Information selbst. Es bedeutet jedoch, dass die meisten Texte, die Menschen in sozialen Medien lesen, von Maschinen statt von Menschen geschrieben sein werden. Und das erzeugt ein Problem, mit dem wir bis dato kaum gerechnet haben.

In unserer Gegenwart sind die Gesetze für ein funktionierendes Gemeinwesen in den Formaten versteckt, die Daten zu Fakten machen: in Nachrichten, in Unterhaltungssendungen und auf allen Kanälen, die unsere öffentliche Wahrnehmung prägen. In diesen Formaten ist nicht so sehr das wichtig, was gesagt wird, sondern allein die Tatsache, dass es dort gesagt wird. An dieser Stelle kommt der Vertrauensanker ins Spiel.

Nachrichten brauchen ihn ganz besonders. Laut Wikipedia ist ein Vertrauensanker eine maßgebliche Instanz, für die Vertrauen vorausgesetzt und nicht abgeleitet wird. Einfach gesagt: Die „Tagesschau“ ist Institution. Was hier gesendet wird, gilt als über jeden Zweifel erhaben. Damit ist es das Format selbst, das als Vertrauensanker fungiert. Es ist die maßgebliche Instanz, für die Vertrauen vorausgesetzt und eine Kette von Vertrauen abgeleitet wird.

Und jetzt kommt das Problem: Angesichts der Tatsache, dass über 70 % der belgischen Jugend ihren Nachrichtenkonsum ausschließlich über soziale Medien abwickelt, sind die Bemühungen der traditionellen Medien um Vertrauenswürdigkeit durch Herkunft, Verlinkung von Quelle zu Quelle und Erstellung von Herkunftsnachweisen zwar wichtig, erreichen aber nur noch ansatzweise die nächste Generation von Wählern. Wenn die Formate selbst nicht mehr konsumiert werden, können sie auch nicht mehr als Vertrauensanker fungieren.

Also sollten wir neue Vertrauensanker in den sozialen Medien entwickeln und aufbauen. Und zwar nicht, indem wir uns mit scheinbar funktionierenden Vertrauensankern beschäftigen und noch einen neuen Kanal entwickeln oder noch mehr Personas kreieren. Sondern indem wir uns intensiv um die Wiederherstellung von Vertrauensketten kümmern. Dieses könnte auch gelingen, wenn wir die Vertrauensanker aus der Buch- und Nachrichtengeneration in neue Formate überführen, die über die sozialen Medien hinausgehen. Beides ist eine wichtige und zutiefst demokratische Notwendigkeit. Denn wir brauchen besagte Instrumente, die über Jahrhunderte entwickelt wurden, um ein gemeinsames Situationsbewusstsein zu schaffen. Ohne kollektives Bewusstsein wird ein funktionierendes Zusammenleben mit Regeln für Steuern oder Entscheidungsfindung unmöglich. Und wenn diese Instrumente in Räumen stehen, die niemand mehr öffnet, sind sie irrelevant. Also müssen Vertrauensanker in die neue Formate des Informationsaustauschs eingebettet werden.

Versuche, diese neuen Formate und Vertrauensanker zu schaffen, finden bereits statt. Datenjournalistische Werkzeuge werden gekoppelt, um tiefere Recherchen, klarere Analysen, genauere Aussagen zu erhalten. Das Berliner Unternehmen codepan.com hat ein sogenanntes KI-OS entwickelt, das für solche Kopplungen genutzt werden könnte. Asvins Pressechef Konrad Buck hat hierfür ein Projekt mit mehreren Journalisten und mit codepan gestartet. Unserer Meinung nach kann der Datenjournalismus durch den Einsatz von KI eine Renaissance erleben, indem er fundierte Entscheidungshilfen liefert, hochkomplexe Zusammenhänge übersichtlich darstellt, am Ende vielleicht sogar eine Automatisierung der Entscheidungsfindung für Bürger, Politik und Wirtschaft anbietet, also in Richtung BI gehen, mit frei konfigurierbaren Dashboards für Sourcing, Zirkularität oder Konflikte.

Dies ist definitiv die Zukunft der Nachrichten im Sinne der Bereitstellung genauer Daten, die Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen ermöglichen: Gesundheit, Zuhause, Mobilität, Nachbarschaft/Stadt. Ein erfolgreicher digitaler Wandel führt zu produktiven Rückmeldungen über unsere körperliche und geistige Unversehrtheit, zu den bestmöglichen Geschäften auf der Grundlage von Echtzeit-Monitoring für die Ressourcenzuteilung, zur bestmöglichen politischen Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Echtzeit-Daten und -Informationen und zur bestmöglichen Abstimmung zwischen lokalen Anbietern und dem enormen Potenzial größerer globaler Gemeinschaften. An all diesen Schnittstellen braucht es neue vertrauenswürdige Gatekeeper, die konfigurierbare Dashboards erstellen, die so hyperlokal und personalisiert automatisiert sind, dass der Datenjournalismus eher wie ein vertrauenswürdiger Begleiter erscheint.

*: Rob van Kranenburg ist seit gut 20 Jahren in der europäischen-F&E-Szene aktiv und bestens vernetzt. Für asvin leitet er als Chief Innovation Officer die Kopplung zwischen Marktanforderungen und den Ergebnissen der asvin-Labs. Seine Ressourcen nehmen Trends im Cyberraum frühzeitig wahr und geben Handlungsempfehlungen für Zukunftsmärkte.

In den asvin-Labs wird die Zukunft der Cybersicherheit erforscht. Cybersicherheit muß insgesamt einfacher und praktikabler werden. Starker Fokus liegt daher auf der Analyse von Kontext-Informationen, um Komplexität und ihre Risiken beherrschbar zu machen.